Auf eine Wurst mit der Kitchen Guerilla

23. Aug 2010 | Auf eine Wurst mit, Rückblick

Ich treffe Koral Elci im Café Knuth in Hamburg Altona. Koral ist Teil der Kitchen Guerilla, die seit einigen Monaten Restaurantküchen in Hamburg stürmen und dort Menüs aus regionalen Zutaten für geladene Gäste kochen. Die bis kurz vorher geheim gehaltenen kulinarischen Events finden immer mehr Fans und sind schnell ausgebucht.

Für ihre Aktionen haben die Guerillas begonnen, ihre Wurst selber zu machen, erzählt er, während ich die Ahle Wurscht auspacke. „Die Gewürz- und Fleischmischungen, die wir uns vorstellen, zum Beispiel Krabbenwurst mit Rind, macht keine Sau. Da hilft nur selber machen,“ erklärt er. Bisher entstanden verschiedene frische Würste aus Rind-, Lamm- und Schweinefleisch, in die sie manchmal auch „verschiedene Gemüse reinrocken“, wie der Guerillero sich ausdrückt.

Für ihre Eigenkreationen suchen sie immer den direkten Kontakt zu den Produzenten. „..dann gehen wir zum Beispiel zu Kai, der hat Lämmer (Kai Söth, Schäfer südlich Hamburg) und probieren damit rum.“ Grinsend fügt er hinzu „…unsere Versuchstiere sind ja eigentlich Menschen“. Die Menschenversuche der Guerillas scheinen gut zu funktionieren, denn die Events der Küchen Guerilleros werden immer beliebter.

„Eine geile vegetarische Wurst“ zu machen ist das Nächste was Koral vorhat. Denn er hasst diese „Veggiewürste“, die es aus Seitan und Tofu überall gibt.  Vor allem hasst er es, wenn die Leute behaupten, dass diese Nachahmerprodukte aus dem Supermarkt geschmacklich vergleichbar mit richtiger Wurst wären. „Vor allem mit viiiiel Ketchup“, imitiert er einen vegetarischen Wurstesser und lacht. Das muss besser gehen, weiß er.

Vor uns liegt eine Dürre Runde Ahle Wurscht, die Koral nun mit dem Messer in grobe Stücke zerteilt.

„Was bedeutet so eine Wurst für dich?“, frage ich ihn.
„So eine Wurst bedeutet für mich – wenn ich jetzt drauf schaue –  eine Art von Sicherheit“, sagt er. Dabei hat Koral ein für ihn „urmenschliches Bild“, vor Augen.
„Winter – eine warme Hütte – Familie – Geborgenheit“.
Das liegt für ihn vor allem daran, dass diese Art von Wurst, das weiß er, auch über den Winter halten kann und trotzdem saftig bleibt.
„Die Form ist übrigens eins zu eins unsere Knoblauchwurst“, stellt er fest. Die runde Wurstspezialität mit viel Knoblauch wird in seiner türkischen Heimat aus Rind- oder Kalbfleisch hergestellt und heißt auf türkisch Sucuk. „Illegalerweise gibt es die auch mit Eselfleisch“, erzählt er. Er lacht und ahmt eine der Nachrichtensprecherinen nach, die aus diesen Fällen oft einen regelrechten Wurstskandal machen. „Das hat meistens mit der illegalen Schlachtung in Zusammenhang mit diesen Eselwürsten zu tun“, erklärt Koral.
Er beißt in ein neues Stück Ahle Wurscht. „..saugeile Wurst übrigens“, unterbricht er seinen Gedankengang.
Mit Sucuk verbindet er vor allem das große Sonntagsfrühstück mit der Familie.
In seiner Geburtsstadt Istanbul werden sonntagmorgens dicke Scheiben der Knoblauchwurst mit Eiern und Tomaten in der Pfanne gebraten.
„Dazu ein Haufen Zeitungen…“, schwärmt er „..und frisch gepresste Säfte – Orange, Grapefruit und Granatapfel.“

„Die Türkei war im Gegensatz zu Deutschland allerdings nie so fortschrittlich was Wurst angeht“, stellt Koral danach fest.  Es gibt sowieso wenige Länder auf der Welt, die seiner Meinung nach „überhaupt nah an deutsche Würste rankommen können (…), vielleicht noch Italien.“

Eine Wurst, wie die Ahle Wurscht, ist für ihn „ein Symbol für Deutschland. Definitiv!“ „Wenn du mich fragst: Womit verbindest du Deutschland, was ist dein Produkt? – Ich persönlich sehe eher Wurst als Bier.“  „Für mich ist das Wurst! Kein Kohl, Kein Döner – definitiv nicht.“ Koral beißt in ein großes Stück Wurst. „Unglaublich“, sagt er und meint das ernst.

www.kitchenguerilla.com

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